Die Französische Revolution

Die Französische Revolution

 

 

 

von: Hans-Ulrich Thamer

C.H.Beck, 2006

ISBN: 9783406508479

Sprache: Deutsch

124 Seiten, Download: 504 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Die Französische Revolution



1. Die Französische Revolution – ein Gründungsereignis (S. 7)

Kaum ein Ereignis hat die Geschichte der Moderne so tief geprägt wie die Französische Revolution von 1789 bis 1799. Sie eröffnete eine Phase grundstürzender Veränderungen der politischen, sozialen und kulturellen Verhältnisse in Frankreich. Als ein epochales Ereignis hat die Französische Revolution weit über den nationalen französischen Rahmen hinaus tiefe Spuren in der politischen und sozialen Entwicklung anderer Länder hinterlassen.

Sie wurde zum Motor des Verfassungswandels und der Entstehung liberaler politischer Kulturen. Sie wurde zum Laboratorium der Moderne, indem sie in der kurzen Spanne eines Jahrzehnts die unterschiedlichsten Verfassungsformen entwickelte, die für das 19. und 20. Jahrhundert wirkungsmächtig werden sollten, von der konstitutionellen Monarchie über die Republik bis zur bonapartistischen Diktatur, indem sie die Grundlagen einer bürgerlich-individualistischen Eigentumsund Gesellschaftsverfassung schuf, indem sie zum ersten Mal eine demokratische politische Kultur entfaltete und damit den Durchbruch zur politischen Freiheit erkämpfte, indem sie einen fundamentalen Prozeß der Politisierung der Gesellschaft und der Ideologisierung der politischen Sprache auslöste und dabei zugleich die Selbstgefährdung demokratischer Ordnung demonstrierte.

Ihre historisch-politische Bedeutung reicht darum bis in die Gegenwart. In historischer Perspektive läßt sich die Französische Revolution zugleich als ein herausragendes Ereignis in einer langen Phase des politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandels vom alteuropäischen Ancien Régime in die Moderne deuten, in dem die allgemeinen strukturellen Veränderungen anderen Zeitrhythmen folgen als dramatische politische Ereignisse.

Kurzfristige Revolutionsereignisse werden dabei in langfristig ablaufende Prozesse sozialen Wandels eingebettet und die politischen Prozesse des Revolutionsjahrzehnts zum strukturellen Wandel in Beziehung gesetzt.

Dadurch werden neben den Phänomenen der historischen Zäsur und des Neubeginns auch Elemente der Kontinuität stärker in den Blick genommen, die bereits im 18. Jahrhundert entwickelt waren und sich in der Revolution fortgesetzt oder vollendet haben und die in den Diskursen und in der Gesetzgebung zwar vorbereitet, aber erst im Laufe des 19. Jahrhunderts umgesetzt wurden.

Dies gilt vor allem für den Strukturwandel von Wirtschaft und Gesellschaft, der den Gesetzen der langen Dauer und damit anderen Handlungsbedingungen unterliegt als die Politik. Dies gilt beispielsweise für Fortsetzung politisch-administrativer Zentralisierung, die mit dem Ausbau absolutistischer Staatlichkeit begann und mit der Jakobinerherrschaft und ihren Kommissaren einen weiteren, nun freilich mit dem Prinzip der Volkssouveränität legitimierten Kulminationspunkt erreichte.

Die Revolution bedeutet darum auch Rhetorik und Ankündigung, hinter der die Wirklichkeit zurückblieb. So vollzog sich 1789 nicht die «Geburt der bürgerlichen Gesellschaft», sondern die Organisation eines neuen Frankreichs bedeutete allenfalls einen wichtigen, vor allem rechtlichen Schritt in diesem Prozeß, der in seiner ökonomischen und sozialen Dynamik bereits vor 1789 begonnen und sich weit in das 19. Jahrhundert erstreckt hat.

Beim Aufstieg der industriellen Welt spielte die Französische Revolution allenfalls eine Nebenrolle, manche Historiker halten die Revolution für die industrielle Modernisierung sogar für abträglich, sie habe England bei der Durchsetzung der Industriellen Revolution einen entscheidenden Vorsprung verschafft, den es vor 1789 nicht gegeben habe.

Was macht dann das Umstürzende, das Innovative und die Wirkungsmacht der Revolution auch in der Perspektive der longue durée aus, wenn ein solcher Bruch, wie ihn die Rhetorik der Revolution beanspruchte, für den Bereich von Wirtschaft und Gesellschaft nur bedingt zu erkennen ist? Die moderne Forschung der vergangenen zwanzig Jahre findet die Antwort darauf im Politischen, in der Entwicklung von Verfassungen und neuen Formen der Legitimation von Herrschaft, in der Proklamation von Menschen- und Bürgerrechten und in der Funktion der Revolution als Gründungsereignis für eine demokratische politische Kultur, in der Entfaltung neuer Formen der politischen Repräsentation und Integration.

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