Die Inquisition. Ketzerverfolgung in Mittelalter und Neuzeit

Die Inquisition. Ketzerverfolgung in Mittelalter und Neuzeit

 

 

 

von: Gerd Schwerhoff

C.H.Beck, 2006

ISBN: 9783406508400

Sprache: Deutsch

129 Seiten, Download: 579 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Die Inquisition. Ketzerverfolgung in Mittelalter und Neuzeit



I. Einleitung (S. 7)

«Die Inquisition» – ein historischer Begriff, der die Phantasie anregt und starke Bilder hervorruft: fanatische und sadistische Ketzerverfolger, düstere Folterkeller, massenhafter Tod in den Flammen. Die Inquisition steht für die Schattenseiten abendländischer Geschichte schlechthin. «Zwischen den Scheiterhaufen der mittelalterlichen Inquisition und den Krematorien faschistischer Konzentrationslager» (Griguleviè) werden Verbindungen gezogen. «Folter im Namen Gottes» titelte das Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» im Juni 1998 anläßlich der Öffnung des römischen Inquisitionsarchivs.

Überschrift für den Artikel im Inneren des Heftes, der die Blutspur einer Einrichtung nachzeichnen wollte, die Millionen Menschen zu Tode gebracht habe: «Gottes willige Vollstrecker» – Goldhagen läßt grüßen. Wer sich auf das Wagnis einer Inquisitionsgeschichte einläßt, so zeigen die Beispiele, begibt sich in ein Spannungsfeld von empörter Verurteilung und bemühter Verteidigung. Sine ira et studio läßt sich Geschichte ohnehin kaum je schreiben, und die Geschichte der Inquisition erst recht nicht.

Neuere Forschungen haben jedoch viele der gängigen Urteile über sie in Frage gestellt oder zumindest relativiert. Dieses Büchlein möchte einige dieser neuen Akzente skizzieren. Einige Grundlinien seien an den Anfang gestellt. In ihrer Düsternis steht die Inquisition im kollektiven Gedächtnis für eine ganze «dunkle» Epoche: das Mittelalter.

Demgegenüber bleibt festzuhalten: Die Inquisition wurde erst im 13. Jahrhundert etabliert und umfaßte also keineswegs das gesamte Mittelalter, sie kann sogar mit Fug und Recht als Modernisierungsphänomen innerhalb der Epoche interpretiert werden. Auf der anderen Seite reichte die Inquisition weit in die Neuzeit hinein, erst um 1800 läßt sich eine deutliche Zäsur feststellen.

Sie überwölbt die herkömmliche Epochengrenze und deckt mithin ziemlich genau jene «alteuropäische» Phase okzi- dentaler Geschichte ab, in der sich die politische, religiöse und ökonomische Ordnung institutionell verfestigt. Eine langfristig angelegte Betrachtung läßt sowohl Unterschiede als auch Gemeinsamkeiten zwischen der mittelalterlichen und der neuzeitlichen Phase der Inquisition deutlich hervortreten.

Während das mittelalterliche System päpstlicher Legaten zur Ketzerbekämpfung vom Anspruch her universell war, stellten die spanische und portugiesische, z.T. auch die römische Inquisition der Neuzeit eher staatliche Veranstaltungen dar und lassen sich eher als Behörden mit klarer Struktur und Hierarchien beschreiben. Das einigende Band zwischen den Epochen bestand vor allem im inquisitorischen Verfahren zur Bekämpfung von Häresien, wie es bereits Mitte des 13. Jahrhunderts entwickelt und mit Modifikationen bis zum 18. Jahrhundert angewandt wurde.

Dieses Verfahren, das umfassende Geheimhaltungstechniken, zukunftsweisende Befragungstechniken auch jenseits der körperlichen Folter und den methodischen Einsatz der Schrift umfaßte, machte die angesprochene Modernität der Inquisition aus, wobei darin kein positives Werturteil eingeschlossen sein soll. Ebenso wie diese Gemeinsamkeiten verdienen aber auch die mannigfachen regionalen Differenzen und die sehr wechselhaften Verfolgungskonjunkturen hervorgehoben zu werden.

Die Inquisition war zu keiner Zeit ihrer Existenz eine allgegenwärtige und immer aktive Einrichtung, sondern oft nur ein Papiertiger. Es handelte sich – trotz aller zukunftsweisenden Elemente – nicht um eine totalitäre Machtmaschinerie, sondern um eine typisch vormoderne Einrichtung, die in ständigen Auseinandersetzungen mit konkurrierenden (weltlichen wie kirchlichen) Herrschafts- und Gerichtsinstanzen lag und die unter einem eklatanten Mangel an Vollzugsmacht litt.

Erfolg konnte sie nur dann verbuchen, wenn sie erfolgreich mit anderen Mächten kooperierte und hinreichende Unterstützung aus der Bevölkerung erfuhr. Dieses Charakteristikum macht wiederum andere Züge der Inquisition plausibel.

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