Die Tochter des Geschichtenerzählers. Meine Heimkehr nach Afghanistan.

Die Tochter des Geschichtenerzählers. Meine Heimkehr nach Afghanistan.

 

 

 

von: Saira Shah

PeP eBooks, 2003

ISBN: 9783894807832

Sprache: Deutsch

234 Seiten, Download: 472 KB

 
Format:  EPUB, PDF, auch als Online-Lesen

geeignet für: geeignet für alle DRM-fähigen eReader geeignet für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones Online-Lesen PC, MAC, Laptop


 

eBook anfordern

Mehr zum Inhalt

Die Tochter des Geschichtenerzählers. Meine Heimkehr nach Afghanistan.



Kapitel Neun (S. 118-119)

Anfang 1987 begannen die USA endlich, den Mudschaheddin hoch entwickelte Waffen zu liefern. Vor allem die tragbaren Luftabwehrraketen, die so genannten Stingers, verschoben das militärische Gleichgewicht. Damit ließ sich ein sowjetischer Jet vom Himmel holen oder, wenn sie in die falschen Hände fielen, auch ein unschuldiges Passagierflugzeug. Hank fand, wer über die Effektivität der umstrittenen neuen Waffen berichte, nehme nur den Kommunisten die Arbeit ab. Er drohte, seine Beziehungen zum Geheimdienst zu nutzen und jedem ausländischen Reporter das Visum für ungültig erklären zu lassen, der über die Stingers schreibe.

Also beschloss ich, auf meinem nächsten Ausflug nach Afghanistan genau das zu versuchen. Doch vorher musste ich noch etwas Wichtiges erledigen. Nach meiner Rückkehr aus Kunar hatte ich meine kostbaren Schwarzweißfilme einem Behelfsfotolabor in Peschawar anvertraut. Ein paar Tage später waren die Abzüge einfach ausgeblichen. Das Labor hatte abgelaufene Chemikalien aus Osteuropa verwendet. Wenn ich die Stingers im Einsatz fotografieren wollte, musste ich einen Ort finden, wo ich meine Filme selbst entwickeln konnte. Es hieß, ein Schweizer Journalist, Beat Kraettli, habe eine Dunkelkammer. Ich zog also los und suchte ihn. Auf einer kurvenreichen, mit Abwasser überspülten Straße fand ich ein Schild, auf dem in großen, wenn auch etwas ungelenken Buchstaben stand: »Schweizer Informationsbüro«.

Ich hatte noch nicht angeklopft, da sprang die Tür schon mit aller Wucht auf. Ein kleiner Mann mit Filzhut stürmte wie ein Wirbelwind heraus. Ich wurde in ein winziges Büro hineingesaugt, das mit Papieren übersät war, die aussahen, als wären sie von den wütenden Aktivitäten meines Gastgebers durcheinander geblasen worden. In einer Ecke saß ein resigniert wirkender Afghane und schnitt mit einer Riesenschere Zeitungsartikel aus. Ohne sich Gedanken zu machen, ob ich Deutsch sprach, begann Beat mir den Artikel aus einer Schweizer Zeitschrift vorzulesen, der ihn so in Rage gebracht hatte. Gleichzeitig durchwühlte er ungeduldig die Papierberge auf seinem Schreibtisch, als könne er nicht einmal beim Lesen einen Augenblick stillhalten.

Als es mir endlich gelang, meine Frage herauszustottern, rief er: » Tscha! Heißt das, du kannst wirklich Filme entwickeln? Das musst du mir sofort beibringen.« Ich war etwas erstaunt, dass er sich die Mühe gemacht hatte, eine Dunkelkammer einzurichten, wenn er sie nicht zu nutzen verstand. Sein Labor war mit schweizerischer Akribie bis ins kleinste Detail eingerichtet. Flaschen mit Entwicklerflüssigkeit und Fixierbad standen unbenützt im Regal. Es gab Wannen für Papierabzüge, Zangen, Klammern und einen beeindruckenden modernen Vergrößerer. An den Wänden standen mehrere Kommoden. Es fehlte an nichts. Ich stellte mir alles zusammen, was ich brauchte. Es tat gut, die Flüssigkeiten abzumessen, wieder den vertrauten Geruch von Entwickler, Salzsäure und Fixierer zu riechen. Hingerissen schaute Beat mir bei den Vorbereitungen zu.

Das erlöste ihn anscheinend sogar von seinem Zwang zum Reden oder Herumlaufen. Als ich fertig war, machte ich das Licht aus. »Jetzt nehme ich den Film aus dem Magazin«, erklärte ich, denn ich sollte ihm wohl das Entwickeln beibringen. »Und jetzt schiebe ich ihn in die Spirale.« Das war immer eine etwas knifflige Geschichte. In diesen kurzen Augenblicken war der Film potentiellem Licht ausgesetzt, der winzigste helle Spalt würde ihn ruinieren.

Doch als ich den Film in die Spirale eingeführt hatte und auf der Arbeitsplatte nach der Entwicklerdose tastete, merkte ich, dass ich vergessen hatte, mir den Deckel bereitzulegen. Jetzt konnte ich kein Licht mehr anmachen, um danach zu suchen. Ich zog einige Schubladen auf und tastete darin herum. Sie waren angefüllt mit allerlei seltsamen Gegenständen, von denen sich keiner wie fotografisches Zubehör anfühlte. Ein kleines Plastikgebilde mit zwei Flügeln (ich schüttelte es: offenbar war es mit einer Flüssigkeit gefüllt), eine seltsame, etwa fünfzehn Zentimeter lange Holzschachtel und mehrere ziemlich schwere Metallkugeln.

Kategorien

Empfehlungen

Service

Info/Kontakt