Armut von Erwerbstätigen in europäischen Wohlfahrtsstaaten - Niedriglöhne, staatliche Transfers und die Rolle der Familie

Armut von Erwerbstätigen in europäischen Wohlfahrtsstaaten - Niedriglöhne, staatliche Transfers und die Rolle der Familie

 

 

 

von: Henning Lohmann

VS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV), 2008

ISBN: 9783531908533

Sprache: Deutsch

272 Seiten, Download: 1319 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Armut von Erwerbstätigen in europäischen Wohlfahrtsstaaten - Niedriglöhne, staatliche Transfers und die Rolle der Familie



1 Einleitung (S. 11)

Das Bild von erwerbstätigen Armen ist oftmals durch die Vorstellung von hart arbeitenden, aber gering bezahlten Arbeitskräften geprägt, deren Alltag die beiden US-amerikanischen Journalisten Barbara Ehrenreich (2005) und David Shipler (2005) am Beispiel von einfachen Industriearbeitern, Servicekräften oder Erntehelfern eindrücklich geschildert haben.

Auch in europäischen Wohlfahrtsstaaten, um die es in dieser Arbeit gehen soll, sind entsprechende Bilder präsent, wenn von armen Erwerbstätigen die Rede ist. Dies ist aber nur eine Seite des Problems ‚Armut von Erwerbstätigen’. Aus anderer Perspektive sind es nicht allein geringbezahlte Jobs, die als Ursache von Armut von Erwerbstätigen in Frage kommen.

Frühere Arbeiten, wie beispielsweise die bislang umfassendste Studie zu den ‚working poor’ in Deutschland (Strengmann-Kuhn 2003), weisen darauf hin, dass der Haushaltskontext eine entscheidende Rolle dabei spielt, ob ein Einkommen ausreichend ist oder nicht. Auch Normalverdiener, die allein eine Familie zu versorgen haben, gehören daher häufiger als manche andere Gruppen zu den erwerbstätigen Armen.

Die Berücksichtigung dieses Aspekts setzt allerdings voraus, dass man Armut von Erwerbstätigen im Sinne der allgemeinen Armutsforschung definiert, die von den in einem Haushalt verfügbaren Ressourcen ausgeht und nicht allein von der Verteilung der Erwerbseinkommen.

Dies ist auch die grundsätzliche Sichtweise dieser Arbeit. Dieses Verständnis von ‚Armut von Erwerbstätigen’ ist in der wissenschaftlichen und politischen Diskussion inzwischen durchaus etabliert. So wird seit einigen Jahren ein entsprechender Indikator in der europäischen Sozialberichterstattung verwendet (vgl. Bardone/Guio 2005).

Dabei zeigt sich einerseits, dass sich das Ausmaß von Armut von Erwerbstätigen zwischen Ländern erheblich unterscheidet. Andererseits wird aber auch deutlich, dass Armut von Erwerbstätigen in Europa insgesamt kein marginales Problem darstellt. Entsprechend wird in den beschäftigungspolitischen Leitlinien des Rates der Europäischen Union auch ausdrücklich auf die Notwendigkeit der Bekämpfung von Armut von Erwerbstätigen verwiesen (Rat der Europäischen Kommission 2005).

Auch im Rahmen der offiziellen Armuts- und Reichtumsberichterstattung in Deutschland gibt es Gutachten, die allein Armut von Erwerbstätigen betrachten (Hanesch 2001, Fritzsche/Haisken-DeNew 2004). Die Tatsache, dass Arbeit nicht notwendigerweise vor Armut schützt, kann daher kaum mehr als Überraschung gelten.

Jedoch gibt es bislang – anders als im Fall von Niedriglohnbeschäftigung und von Armut insgesamt – kaum Untersuchungen, in denen umfassend die Ursachen für Armut von Erwerbstätigen und insbesondere die Ursachen für die bestehenden Länderunterschiede im Ausmaß und in der Struktur der Armut von Erwerbstätigen analysiert werden. Dies zu leisten, ist das Ziel der vorliegenden Arbeit.

Für eine Erklärung, warum sich das Armutsrisiko von Erwerbstätigen von Land zu Land unterscheidet, reicht es nicht aus, die Verteilung der primären Erwerbseinkommen zu betrachten. So kann es mehrere Verdiener pro Haushalt geben. Zudem gibt es staatliche und private Transfers.

Will man erklären, warum Armut von Erwerbstätigen auftritt, müssen also sowohl die Faktoren berücksichtigt werden, die die Höhe des Erwerbseinkommens beeinflussen, als auch diejenigen, die das Zusammenfließen unterschiedlicher Einkommensquellen in einem Haushalt bewirken. Es ist die Aufgabe dieser Arbeit, diese Faktoren zu benennen und ihren Einfluss darzustellen.

Gedacht ist hierbei vor allem an wohlfahrtsstaatliche Institutionen wie das System der sozialen Sicherung und das Angebot sozialer Dienstleistungen und an Arbeitsmarktinstitutionen wie Kündigungsschutzregeln und die Ausgestaltung des Lohnverhandlungssystems. Diese Aspekte werden hier zusammenfassend als institutionelle Rahmenbedingungen bezeichnet.

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