Ausgespäht und abgespeichert - Warum uns die totale Kontrolle droht und was wir dagegen tun können

Ausgespäht und abgespeichert - Warum uns die totale Kontrolle droht und was wir dagegen tun können

 

 

 

von: Anne C. Simon

Herbig, 2008

ISBN: 9783776625721

Sprache: Deutsch

337 Seiten, Download: 1683 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Ausgespäht und abgespeichert - Warum uns die totale Kontrolle droht und was wir dagegen tun können



2 Die Überwachungsmacher (S. 237-239)

2.1 Der Präventionsstaat

Die unersättliche Lust auf Daten

Der deutsche Blogger Kai Raven hat auf seiner empfehlenswerten Website (siehe Anhang) einen »Gefahrenindikator«, der anzeigen soll, wo unsere Gesellschaft steht. Ganz unten, die unbedenklichste Stufe, ist der Rechtsstaat, dann folgen der Sicherheitsstaat und schließlich der Überwachungsstaat, der seine Bürger auf möglichst vielfältige Weise kontrolliert. Ravens Indikator jedoch zeigt bereits auf die nächsthöhere Kategorie, den Präventionsstaat. Dieser ist die logische Weiterentwicklung des Überwachungsstaates, er versucht unliebsame Entwicklungen schon im Keim zu ersticken und durch Überwachung und Kontrollmaßnahmen von vornherein unerwünschtes Verhalten zu verhindern. Verstärken sich diese Tendenzen, entsteht ein Polizeistaat oder schließlich ein totalitärer Staat.

Wir wollen die These, dass wir bereits in einem Präventionsstaat leben, anhand einiger Indikatoren prüfen, zuerst indem wir den unersättlichen Hunger der Bürokratie nach Daten betrachten. Der französische Staatstheoretiker Jean Bodin schlug 1576 in seinen »Sechs Büchern über die Republik« Volkszählungen als Mittel vor, um die Parasiten loszuwerden, die als Bettler und gefährliche Müßiggänger das Gemeinwesen belasteten. Alle Untertanen sollten mit Namen, Stand und Wohnort erfasst werden, um »die Wölfe von den Schafen zu trennen«. In der Habsburgermonarchie hatten die ersten Volkszählungen, die im 16. Jahrhundert durchgeführt wurden, einen ähnlichen Grund. Sie begannen als Mittel der Ausgrenzung und betrafen zunächst nur die Juden und Protestanten.Auch die Einführung der Hausnummern in der Monarchie begann im 17. Jahrhundert als Kontroll- und Vertreibungswerkzeug, jüdische Häuser in Böhmen waren die ersten, die damit versehen wurden.

Jahrhunderte später kostete die Perfektion von Statistikern und Bürokraten unzähligen Juden das Leben. Vor 1938 hatte es keine durchgängige Meldepflicht gegeben, und wo es sie gab, wurde sie leicht umgangen. Das NS-Regime führte zwei Volkszählungen durch, mit modernsten Hollerith-Lochkarten- und Sortiermaschinen aus dem Hause IBM wurde die Bevölkerung nach verschiedensten Merkmalen erfasst – unter anderem nach der Abstammung.Nur diese Lochkartentechnik ermöglichte es, so viele Juden in so kurzer Zeit zu identifizieren, zu enteignen, zu vertreiben und schließlich zu vernichten.Am offensichtlichsten war dieser Zusammenhang in den von den Nazis eroberten Niederlanden.Dort war die Verfolgung nur deswegen so erfolgreich, weil sämtliche niederländischen Bevölkerungsregister bereits vollständig mit Hollerith-Anlagen automatisiert waren.

Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund führte die für 1983 geplante Volkszählung in Deutschland zu einer großen Protestbewegung.Die Ausführlichkeit der Fragen lasse Rückschlüsse auf die Identität der Befragten zu und verstoße somit gegen das Grundgesetz, befand das Bundesverfassungsgericht, die Volkszählung musste verschoben und modifiziert werden. Das sogenannte »Volkszählungsurteil« ist bis heute bedeutsam. Zum ersten Mal wurde darin das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung formuliert, nämlich das Recht des Einzelnen, selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner personenbezogenen Daten zu bestimmen. Außerdem verboten die Richter die Verwendung eines einheitlichen Personenkennzeichens für jeden Bürger.

Letzteres ist heute umso wichtiger, als die Datenmassen, die über jeden Einzelnen verfügbar sind, in den letzten 25 Jahren ins Unermessliche gestiegen sind. Allerorten werden kleine Mosaiksteinchen unserer Identität gespeichert – die unglaublich viel über uns verraten,wenn sie zusammengeführt werden.Und überall geht der Trend hin zu immer größerer Vernetzung. Im Folgenden ein paar Beispiele: Ein nationales »Bildungsregister« wollten die deutschen Kultusminister einführen.

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