Der Konsument - Verbraucherbilder in Werbung, Konsumkritik und Verbraucherschutz 1945-1989

Der Konsument - Verbraucherbilder in Werbung, Konsumkritik und Verbraucherschutz 1945-1989

 

 

 

von: Nepomuk Gasteiger

Campus Verlag, 2010

ISBN: 9783593408620

Sprache: Deutsch

291 Seiten, Download: 22399 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Der Konsument - Verbraucherbilder in Werbung, Konsumkritik und Verbraucherschutz 1945-1989



4. Der postmoderne Konsument (S. 210-211)

"Wertewandel" und Konsum

Am Ende der siebziger Jahre setzte eine theoretische Neuorientierung in Konsumforschung, Marketingtheorie und Werbung ein, die ältere Thesen des manipulierbaren Konsumenten entkräftete und damit der klassischen Konsumkritik die Grundlage entzog. Im Zentrum der Debatte standen allerdings nicht Auswirkungen der durch die Wirtschaftskrise 1973/74 bedingten Zäsur, wie wiederkehrende Massenarbeitslosigkeit, die "neue Armut" oder mögliche, durch das Ende der Wachstumseuphorie bedingte psychologische Folgen für die Konsumentwicklung. Vielmehr diskutierten Soziologen, Marketingexperten und Marktforscher kulturelle Auswirkungen der lang anhaltenden Wohlstandsentwicklung und die Folgen der "Demokratisierung des Wohlstands" in der Bundesrepublik seit den fünfziger Jahren.

Wie in den USA konzentrierten sich Marketing- und Werbeexperten nun auch in Deutschland auf die wohlhabenderen zwei Drittel der Verbraucher.2 Zentrale Achsen der Debatte um den Konsumenten bildeten dementsprechend Veränderungen innerhalb der westlichen Industriegesellschaften aufgrund von drei Makrotrends: erstens die langanhaltende Wohlstandsentwicklung seit den fünfziger Jahren, verbunden mit dem Ausbau sozialer Sicherungssysteme, zweitens die Bildungsexpansion und drittens der Einfluss der Massenmedien. Alle diese Trends würden, so Soziologen, Marktforscher und Werbefachleute, zu einer Individualisierung der Mitglieder dieser Gesellschaften führen und damit zu einer quantitativen Vermehrung bzw. Pluralisierung der Lebensstile.

Im folgenden Kapitel soll gezeigt werden, wie sich auf der Grundlage der Individualisierungsthese am Ende der siebziger Jahre ein neues Paradigma des "postmodernen" Konsumenten in Marktforschung, Marketing und Werbung etablierte. Wie in der Mitte der fünfziger Jahre debattierten Konsumexperten nun über einen "neuen Konsumenten", der sich radikal von seinen Vorgängern unterscheide. Das Modell des "postmodernen" Konsumenten beschrieb den Verbraucher aber nicht mehr als Gegenstand manipulativer Werbestrategien, der nicht in der Lage sei, emotionale oder symbolische Kommunikationen der Werbung zu reflektieren und zu bewerten.

Der "postmoderne" Konsument konstruiere seine Identität vielmehr bewusst mit ihm geeignet erscheinenden Konsumgütern und reflektiere deshalb besonders die emotionalen und symbolischen Bestandteile von Produkten. In diesem Zusammenhang bewerte er auch die Werbung für diese Produkte äußerst kritisch und stimme nur solchen Kommunikationen der Werbung durch einen Kauf zu, die er als geeignet erachte, ihn bei seinen Individualisierungsbestrebungen zu unterstützen.

Der Kern dieses neuen Konsumentenbildes beruhte darauf, dass dem Konsumenten nun die Fähigkeit der Reflexion emotionaler und sozialer Produktkonnotate sowie von deren Kommunikation durch Werbung zugestanden wurde. Das bedeutete, dass Experten aus Marketing, Marktforschung und Werbung diejenigen Modelle über den Konsumenten, die die Debatte zum Teil seit den zwanziger Jahren bestimmt hatten, neu bewerteten.

Vor dem Hintergrund der Individualisierungsthese konstruierten nicht nur Marktforscher neue Verbrauchertypologien, sondern etliche Werbe- und Marketingexperten relativierten zugleich die Macht ihrer Instrumente. Sie forderten nun zum einen eine Abkehr von den planerischen Marketingmodellen der siebziger Jahre und zum anderen eine Rückbesinnung auf die Kreativität im Entstehungsprozess von Werbung. Vor der Folie des neuen Konsumentenbildes konnten freilich auch die alten Manipulationsthesen nicht mehr vertreten werden."

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