Ethik und Recht

Ethik und Recht

 

 

 

von: Christian Petzold et al.

Hogrefe AG, 2007

ISBN: 9783456943985

Sprache: Deutsch

137 Seiten, Download: 691 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

geeignet für: Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen PC, MAC, Laptop


 

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Ethik und Recht



2 Was ist ein gutes gemeinsames Leben mit Demenz? (S. 13-14)

Helmut Wallrafen-Dreisow und Armin Stelzig

Ein gutes gemeinsames Leben mit Demenz bedarf grundsätzlich erst einmal keiner anderen Bedingungen als ein Leben ohne Demenz. Wann ist ein Leben gut? Woran wird dies gemessen? An welchen Werten? Eine allgemeingültige Definition des «guten Lebens» gibt es nicht. Sind Lebensqualität und gutes Leben gleich zu setzen? Sind die Kriterien für ein «gutes Leben» – zumindest innerhalb eines Kulturkreises – objektivierbar? Sind hier die Befriedigung von Bedürfnissen zu nennen, die Erreichung von Zielen, subjektives Glücksempfinden, um nur einige mögliche Werte zu nennen? Oder ist es vielmehr die Summe all dessen? Habe ich alles, damit ich gut leben kann? Welche Ressourcen brauche ich und über welche verfüge ich? Können Ressourcen unabhängig von Zielen betrachtet werden? Welche Werte bestimmen unsere Ziele? Gelingt es mir, meine Ressourcen so einzusetzen, dass ich meine Ziele erreiche? Und habe ich dann ein gutes Leben?

Die Definition eines guten Lebens eines bestimmten Individuums obliegt – sofern es nicht um Verantwortlichkeit gegenüber anderen geht – dem Individuum selbst und ist Ausdruck seiner Selbstbestimmung. Im Kontext von Demenz ist die Frage zu beantworten, wie Autonomie erhalten bleiben kann. Die Definition von Lebensqualität kann (und muss) im Unterschied dazu auch objektiv messbar sein (mit Berücksichtigung der subjektiven Einschätzung durch Individuen) und stellt auf das Vorhandensein wie auch immer gearteter Lebenschancen und -bedingungen ab.

Menschen mit Demenz brauchen einen Rahmen, in dem sie sich entwickeln können

Bei Menschen mit Demenz ändern sich die kognitiven Fähigkeiten. Sie können sich in fortgeschrittenen Phasen nicht mehr reflexiv in Beziehung zu sich und ihrer Umwelt setzen, entwickeln aber neue Formen der Weltvergegenwärtigung. Dazu gibt es die unterschiedlichsten Beispiele, die im Alltag mit demenziell erkranktenMenschen zu beobachten sind.

Frau Schmitz wiederholt automatisierte Handlungsabläufe und streicht den Nachtisch über den Tisch oder «faltet» die Tischdecke. Herr Meier schlägt mit dem Kaffeelöffel gegen ein Glas, weil er als ehemaliger Fernsehtechniker immer noch löten muss. Frau Schulz schafft sich eine neue Struktur und läuft den immer selben Weg, oder sie muss permanent fragen: «Was soll ich tun?» Herr Müller ist auf der Suche und muss laufen. Frau Anders erzählt gern – immer die gleiche Geschichte. Herr Müller hat Angst und will immer Nähe. Frau Jansen teilt sich gerne mit und schreit.

Geht man von der Einzigartigkeit eines jeden Menschen aus, dann ist jede Ausdrucksform eines Menschen, auch die eines Menschen mit Demenz, sinnvoll und berechtigt. Das, was Personen, die sich verstandesmäßig ändern, äußern, ist weder pathologisch noch entwürdigend. Die Menschen müssen nicht prinzipiell behandelt, therapiert, gepflegt und erst recht vor sich selbst bewahrt werden. Medizinische und pflegerische Behandlungen sind nur in dem Maße erforderlich, wie seelisches und körperliches Leiden auftreten oder auftreten können, und sind darauf zu beschränken.

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