Migräne. Ursachen, Formen, Therapie

Migräne. Ursachen, Formen, Therapie

 

 

 

von: Matthias Keidel

C.H.Beck, 2007

ISBN: 9783406536083

Sprache: Deutsch

129 Seiten, Download: 1144 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Migräne. Ursachen, Formen, Therapie



7. Entstehungsbedingungen der Migräne (S. 35)
a) Genetik

Viele Migränepatienten geben an, dass auch die Mutter oder andere Familienangehörige bzw. Verwandte unter einer Migräne leiden. Diese offenkundige familiäre Belastung führte zu der Hypothese, dass eine genetische Disposition zur Erkrankung an einer Migräne vorliegt.

Mit Zwillingsstudien, Familienuntersuchungen und molekulargenetischer Analyse einer speziellen Migräneunterform, der familiär hemiplegischen Migräne, wurde der Frage der genetischen Komponente bei der Entstehung der Migräne nachgegangen. In den Zwillingsstudien zeigte sich eine signifikant höhere Häufigkeit der Manifestation einer Migräne mit Aura bei eineiigen Zwillingen im Vergleich zu zweieiigen Zwillingen. Das gemeinsame Auftreten der Migräne (mit oder ohne Aura) war bei eineiigen Zwillingen doppelt so häufig wie bei zweieiigen Zwillingen.

Das Vorliegen einer genetischen Disposition zur Erkrankung an einer Migräne wurde auch durch Familienuntersuchungen erhärtet. So war das Risiko der Entwicklung einer Migräne (mit Aura) nicht nur für Zwillinge, sondern auch für Verwandte ersten Grades einer migränebetroffenen Familie im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung mit einem relativen Risiko von ca. 4 deutlich erhöht. Das Risiko, an einer Migräne ohne Aura zu erkranken, war ebenso erhöht, jedoch mit einem relativen Risiko von ca. 2 in geringerem Ausmaß. Diese Untersuchungen haben gezeigt, dass insbesondere bei einer Migräne mit Aura eine genetische Entstehungskomponente gegeben ist. So besteht bei einem an Migräne leidenden Elternteil das doppelte Risiko im Vergleich zu einem gesunden Elternteil, eine Veranlagung zur Migräne an die Kinder weiterzugeben.

Genanalysen der familiären hemiplegischen Migräne, bei der eine fokalneurologische Aura mit halbseitiger Gefühlsstö- rung und Lähmung auftritt, haben Genmutationen (Chromosom 19p13, Chromosom 1q21-23) nachgewiesen, die für eine Fehlfunktion der Kalziumkanäle der Nervenzellwand mit einer erhöhten Öffnungsfrequenz des Kanals verantwortlich sind. Hierdurch entsteht eine Kalziumüberladung im Inneren der Nervenzelle, die eine Fehlfunktion der Zelle und eine veränderte Freisetzung der Botenstoffe nach sich zieht. Aufgrund der Fehlkodierung der Ionenkanäle der Nervenzellmembran wird zumindest für die dominant vererbbare familiäre hemiplegische Migräne von einer genetisch determinierten Kanalerkrankung ausgegangen.

Vergleichbare Genmutationen konnten auch bei Familien mit einer Migräne ohne Aura nachgewiesen werden, so dass auch die Migräne ohne Aura oder mit (nicht hemiplegischer) typischer Aura als mögliche Kandidaten einer «Kanalopathie» angesehen werden. Aufgrund der großen intra- und interindividuellen Unterschiede der klinischen Erscheinungsformen wird jedoch von einer sehr komplexen genetischen Veranlagung ausgegangen.

b) Schmerzentstehung
Vaskuläre Theorie Frühe Überlegungen gingen von der Annahme aus, dass der Kopfschmerz während einer Migräneattacke auf einer schmerzhaft empfundenen Erweiterung der Hirngefäße beruht. Diese «vaskuläre» Theorie der Kopfschmerzentstehung wurde durch die klinische Beobachtung gestützt, dass gefäßverengende Medikamente, wie etwa Ergotamine, zu einer Migränekopfschmerzfreiheit führen können. Auch der pulsierende Charakter des Migränekopfschmerzes und die Zunahme des pulsierenden Schmerzes unter körperlicher Anstrengung mit einer erhöhten Pulsamplitude durch die gesteigerte Herztätigkeit legten eine gefäßbedingte Entstehung des Migränekopfschmerzes nahe und waren Grundlage der so genannten «vaskulären Migränetheorie ».

Neuere Untersuchungen belegen zwar die gefäßverengende Wirkung von Ergotamin oder einem Triptan (Sumatriptan) durch den Nachweis einer erhöhten Blutflussgeschwindigkeit in den Hirngefäßen nach Gabe der Substanzen, zeigen aber auch, dass die Gefäßverengung mit Erhöhung der Blutflussgeschwindigkeit nicht mit einer Abnahme der Stärke des Migränekopfschmerzes gekoppelt ist. Diese Untersuchungen bestätigen somit nicht die Annahme, dass der Migränekopfschmerz von den Durchmessern der Hirngefäße abhängt.

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