Schluss mit Prokrastination - Wie man aufhört zu verschieben und anfängt zu leben

Schluss mit Prokrastination - Wie man aufhört zu verschieben und anfängt zu leben

 

 

 

von: Petr Ludwig, Petra Kubin, Gernot Bogner

Redline Verlag, 2017

ISBN: 9783864149511

Sprache: Deutsch

272 Seiten, Download: 6838 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Schluss mit Prokrastination - Wie man aufhört zu verschieben und anfängt zu leben



MOTIVATION:


WIE MAN SIE ERWIRBT UND LANGFRISTIG BEIBEHÄLT


 

Bei meinem Aufenthalt in Dänemark hatte ich die Möglichkeit, einige Zeit bei Novo Nordisk zu verbringen. Mit mehr als dreißigtausend Mitarbeitern und einem Weltmarkanteil von mehr als fünfzig Prozent ist das Unternehmen weltweit die Nummer eins in der Insulin-herstellung.[19]

Gleich nach der Ankunft fiel mir die hohe Motivation und Zufriedenheit der Menschen auf, denen ich begegnete, vom Portier über die Putzfrau, die ich im Flur traf, bis zu den Mitarbeitern aus der Medikamentenentwicklung. Da Novo Nordisk ein pharmazeutisches Unternehmen ist, war mein erster Gedanke, den Menschen würde »etwas Spezielles« ins Trinken beigemischt. Etwas später hatte ich Gelegenheit, mit der Geschäftsführung am Mittagstisch zu sitzen und dabei zu fragen, wie sie es schafften, so glückliche und motivierte Mitarbeiter zu gewinnen. Ich bekam eine überraschend einfache Erklärung.

Wie funktioniert also diese Motivationszauberei? In Wirklichkeit beeinflussen uns mehrere Arten von Motivation und einige von ihnen können uns eher schädigen als helfen. Wir sollten daher in unserem Leben die passendste Motivationsform suchen. Die richtige Einstellung minimalistiert dann die Prokrastination, bringt uns jeden Tag nach vorne und führt gleichzeitig zu langfristiger Zufriedenheit.

Äußere Motivation: Anreize durch Zuckerbrot und Peitsche


Kürzlich hatte ich einen Termin mit einem neuen Klienten. Nach einem kurzen Gespräch begann er zu beschreiben, wie er sich zuletzt gefühlt hatte. Er erklärte mir, sein Dasein verliere den Sinn. Er hatte sogar daran gedacht, sein Leben freiwillig zu beenden. Ich fragte ihn, wie viel Zeit er in seinem Leben mit Dingen verbringe, die er wirklich machen will, und wie viel Zeit mit Dingen, die er erledigen muss oder die von ihm erwartet würden. Im Laufe unserer Diskussion kam nach und nach heraus, dass sein Leben ausschließlich durch äußere Motivation gesteuert wurde.

Welche Gefühle begleiten Sie, wenn Sie etwas tun müssen, worin Sie keinen Sinn sehen? Wie fühlen Sie sich, wenn Sie Ihre Zeit mit Dingen verbringen, die Sie erledigen müssen, ohne es wirklich zu wollen?

Neueste Studien haben gezeigt, dass bedeutungslose Tätigkeiten üblicherweise unangenehm und demotivierend auf uns wirken.[20] Kein Wunder also, dass wir sie aufschieben und Abneigung gegen sie empfinden. Egal, ob es darum geht, ein unsinniges Gedicht in der Schule auswendig zu lernen oder Tätigkeiten im Job auszuüben, von denen wir nicht einmal ahnen, warum wir sie erledigen müssen.

Um uns zur Arbeit daran zu zwingen, entstanden Instrumente der äußeren Motivation: Belohnungen und Strafen, Zuckerbrot und Peitsche. Mit diesen äußeren Anreizen bringt uns die Umgebung zu Tätigkeiten, die wir von alleine nicht gemacht hätten.

Die äußere Motivation beinhaltet allerdings einige Gefahren. Weil man nicht die Dinge tut, die man gerne machen möchte, wird im Gehirn weniger Dopamin ausgeschüttet. Dieser Stoff wirkt sich neben unserer Zufriedenheit auch deutlich auf unsere Kreativität, auf unser Gedächtnis und Lernvermögen aus.[21] Eine weitere Gefahr besteht darin, dass durch äußere Motivation geschaffene Unzufriedenheit sozial ansteckend ist und auf die Umgebung übertragen wird.[22]

Die äußere Motivation funktionierte zum Beispiel zur Zeit der Leibeigenschaft auf den Feldern, auf den Schiffen, auf denen die Sklaven ruderten, oder in den ersten Manufakturen. Zu diesen Tätigkeiten war nämlich so gut wie keine Kreativität notwendig. Im Gegensatz dazu erfordert die überwältigende Mehrheit der heutigen Aufgaben ein hohes Maß an Kreativität. Wir haben häufig Probleme zu lösen, müssen oft improvisieren und nach unkonventionellen Lösungen suchen.

Viele Studien haben bestätigt, dass die Anwendung der äußeren Motivation unsere Leistungen bei jenen Tätigkeiten verschlechtern, die den Verstand fordern und eine kreative Herangehensweise benötigen,[23] egal, ob wir zur Motivation Zuckerbrot oder Peitsche verwenden.[24] Wenn wir nämlich eine Belohnung erwarten und diese nicht bekommen, wirkt sich das auf unsere Psyche genauso aus wie eine Strafe. Die imaginäre Peitsche, die über uns hängt, vergällt uns oft das, was wir tun.[25] Es kann die offene Hypothek sein, die uns nicht erlaubt, den verhassten Job aufzugeben. Es können auch die Eltern sein, die Ihre Kinder zu bestimmten Hobbys oder Studienrichtungen zwingen. Ebenso kann es der Vorgesetzte in der Arbeit sein, der seinen Mitarbeitern jede Menge Aufgaben überträgt, ohne ihnen den Sinn dafür zu erklären. Der durch äußere Anreize verursachte Überdruss vertieft unsere Prokrastination oft nur noch weiter.

Wenn sich Menschen an die äußere Motivation gewöhnen, werden sie unfähig, eigenständig zu arbeiten. Wenn die Peitsche weg ist, können sie sich nicht mehr motivieren. Die Studenten gewöhnen sich zum Beispiel an, wegen der Noten zu lernen – endet aber mit der Uni auch der Notendruck, hören sie oftmals auf, sich weiterzubilden. Die äußere Motivation unterdrückt im Menschen jegliche Initiative. Ohne Peitsche ist er kaum mehr in der Lage, irgendetwas zu tun.

Mein Klient wurde beinahe sein ganzes Leben lang von äußerer Motivation beherrscht. Seine Unzufriedenheit, die Unfähigkeit Neues zu erlernen und seine buchstäblich gekillte Kreativität führten zum Lebensverdruss.

Die erste gute Nachricht dieses Kapitels ist, dass es eine Möglichkeit gibt, außer Reichweite der Peitsche zu gelangen und der Falle der äußeren Motivation zumindest teilweise oder sogar vollständig zu entfliehen. Aber Vorsicht, viele Motivationsbücher und Coaches könnten Sie in eine andere Falle locken. Oft bieten sie nämlich ein Allheilmittel in Form der inneren Motivation durch Ziele an.

Innere Motivation durch Ziele: Freude, die nicht anhält


»Stell Dir mal vor, was Dich glücklich machen würde. Stell Dir diese Dinge bis ins kleinste Detail vor. Wäre es ein Auto? Suche Dir auch eine konkrete Farbe, eine Marke und den Motor aus. Gehe zum Autohändler und setze Dich in das Auto… Schreibe alle diese Sachen, die Du Dir wünschst, sorgfältig auf und finde dazu idealerweise auch die passenden Bilder. Versieh diese mit Terminen und klebe sie an einen sichtbaren Platz. Das sind Deine Ziele. Das sind Dinge, die Dich motivieren.« Auf diese Art und Weise arbeitete mein erster Persönlichkeitsentwicklungscoach. Er motivierte die Menschen mithilfe ihrer Träume und Ziele.

Im Laufe meiner Karriere begegnete ich Leuten, die durch diese Art der Motivation beinahe zerstört wurden. Wie Studien zeigen, funktioniert die Motivation durch Ziele zwar, zur langfristigen Zufriedenheit trägt sie aber nicht bei.[26] Stattdessen führt sie zu einer unerwarteten Frustration und zu einer fragwürdigen Abhängigkeit, die der Kokainsucht ähnelt.[27] Warum ist die Motivation durch Ziele so trügerisch? Was steckt dahinter?

Bei der Festsetzung der Ziele schalten wir unseren Präfrontalen Cortex ein.[28] Es handelt sich um einen Teil des Gehirns, der es uns ermöglicht, in der Nacht zu träumen, und der in unseren Köpfen Vorstellungen bestimmter Dinge entstehen lässt, die es noch nicht gibt. Der Präfrontale Cortex ermöglicht es uns Menschen, im Gegensatz zu anderen Lebewesen, über unsere Zukunft nachzudenken.[29]

Was würde Sie zufrieden stellen? Wären es ein Traumpartner und zwei gesunde Kinder? Eine erfolgreich abgeschlossene Universität oder ein besser bezahlter Job? Oder vielleicht ein Haus mit einem Swimmingpool, ein Monatsurlaub oder etwas anderes, wovon Sie träumen?

Genauso wie unser Präfrontaler Cortex es schafft, eine sehr lebhafte Vorstellung unseres Zieles hervorzubringen, so gelingt es ihm auch, uns das Zufriedenheitsgefühl vor Augen zu bringen, das uns die Zielerreichung bringen sollte.

Das Abrufen gesteckter Ziele funktioniert wirklich als starker Motivator. Anders als bei der äußeren Motivation erledigen durch Ziele motivierte Menschen ihre Aufgaben deshalb, weil sie es tatsächlich wollen. Das lässt sie sehr intensiv arbeiten.

Weil aber ihr gegenwärtiger Zustand vom erträumten abweicht, sind sie mit ihm nicht gänzlich zufrieden. Weil sie das Auto noch nicht haben, das sie im Leben vorantreibt, haben sie ständig das Gefühl, es fehle irgendetwas im Leben. Auf dem Weg zum Ziel erleben sie daher nur selten die mit der Dopaminausschüttung verbundenen Vorteile wie erhöhte Zufriedenheit, Kreativität und die Fähigkeit, effektiv zu lernen.

Weil Ziele die Menschen nach vorne ziehen und zu intensiver Arbeit anregen, werden diese früher oder später erreicht. In so einem Moment wird eine einmalige Dosis von Dopamin ausgeschüttet und...

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