Adoleszenz - Migration - Bildung - Bildungsprozesse Jugendlicher und junger Erwachsener mit Migrationshintergrund

Adoleszenz - Migration - Bildung - Bildungsprozesse Jugendlicher und junger Erwachsener mit Migrationshintergrund

 

 

 

von: Vera King, Hans-Christoph Koller

VS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV), 2009

ISBN: 9783531914596

Sprache: Deutsch

274 Seiten, Download: 1076 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

geeignet für: Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen PC, MAC, Laptop


 

eBook anfordern

Mehr zum Inhalt

Adoleszenz - Migration - Bildung - Bildungsprozesse Jugendlicher und junger Erwachsener mit Migrationshintergrund



Spontane Bildungsprozesse im Kontext von Adoleszenz und Migration (S. 177-178)

Arnd-Michael Nohl

I.

Aus spontanem Handeln kann Bildung werden. In der Spontaneität des Handelns bricht das Neue in das Leben ein, schafft sich seinen Raum, wird von anderen respektiert und von den Betroffenen reflektiert. So kommt ein Bildungsprozess in Gang, der nachhaltige und tiefgreifende Veränderungen der Lebensorientierungen von Menschen zeitigt. Diese transformativen Bildungsprozesse lassen sich unterscheiden von Lernprozessen, bei denen Wissen und Können innerhalb gegebener Lebensorientierungen erworben werden.1 Spontane Bildungsprozesse finden sich bei den unterschiedlichsten Menschen: Älteren und Jüngeren, Männern und Frauen, Akademiker(inne)n und Arbeiter(inne)n, Migranten und Einheimischen (vgl. Nohl 2006a).

Möchte man spontane Bildungsprozesse im Kontext von Adoleszenz und Migration untersuchen, so rücken die Migrantenjugendlichen in den Fokus der Aufmerksamkeit. Es wäre allerdings problematisch, würde man die spontanen Bildungsverläufe dieser Personengruppe für sich, d. h. isoliert von anderen Untersuchungspersonen, betrachten und von den so erzielten empirischen Ergebnissen aus unmittelbar auf Adoleszenz- und Migrationsspezifisches schließen. Denn dann wäre man vor einem essentialistischen Fehlschluss, der von den Migrantenjugendlichen unmittelbar zum Adoleszenz- und Migrationskontext führt, nicht gefeit.

Nur weil etwas bei Migrantenjugendlichen empirisch rekonstruiert wurde, ist es mitnichten sogleich als adoleszenz- oder migrationsspezifisch zu bezeichnen. Empirische Einblicke in den Kontext von Adoleszenz und Migration ermöglicht vielmehr die komparative Analyse mit Untersuchungspersonen, die sich hinsichtlich des Lebensalters bzw. der Migration von den Migrantenjugendlichen unterscheiden: Im Vergleich mit anderen Lebensaltern wird das Adoleszenzspezifische empirisch deutlich, im Vergleich mit Einheimischen der Migrationskontext. Mit dieser komparativen Vorgehensweise stütze ich mich auf die dokumentarische Methode, die Ralf Bohnsack auf der Basis der Arbeiten des Wissenssoziologen Karl Mannheim entwickelt hat (vgl. Bohnsack 2003 u. Bohnsack/Netwig- Gesemann/Nohl 2001).

In der dokumentarischen Methode werden mehrere Einzelfälle von Beginn der Auswertung an miteinander verglichen und auf diese Weise Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen ihnen herausgearbeitet. Zum Beispiel rekonstruiert man, wie eine mehreren Fällen gemeinsame Problemstellung – etwa die Adoleszenzkrise – bewältigt wird. Innerhalb der Gemeinsamkeit der Problemstellung können sich dann zwischen den Fällen wiederum Gemeinsamkeiten und Unterschiede zeigen. Diese sind dann der Ausgangspunkt einer Typenbildung, in der Typisches, d. h. Spezifisches etwa für die Adoleszenz oder für die Migration, empirisch aufgezeigt wird.

Da solche Gemeinsamkeiten und Unterschiede sich nie auf eine Dimension beschränken – z.B. nie alleine in der adoleszenzspezifischen Dimension liegen, sondern weitere Dimensionen umfassen, wie etwa die Migration – lassen sich in mehreren Dimensionen Typen bilden. In der empirischen Untersuchung, auf die sich dieser Beitrag stützt (vgl. Nohl 2006a), wurden narrative, biographisch angelegte Interviews (vgl. Schütze 1983) mit Personen unterschiedlichen Alters, Geschlechts, Schulabschlusses und Migrationshintergrundes geführt und mit der dokumentarischen Methode vergleichend und typisierend ausgewertet (vgl. dazu Nohl 2006b).

Im Zentrum der Typenbildung stand zunächst der phasenhafte Ablauf des Bildungsprozesses. Diese Phasen des Bildungsprozesses werden von lebensalterstypischen Aspekten überlagert, wie sich im Vergleich der Personen unterschiedlichen Alters (Jugend, Lebensmitte, höheres Alter) zeigen lässt. Treten hier gerade die adoleszenzspezifischen Aspekte der spontanen Bildungsprozesse zu Tage, so geht es im Vergleich zwischen Einheimischen und Migranten dann darum, die Migrationslagerung, d. h. den für Migranten spezifischen Raum möglicher Erfahrungen (vgl. Nohl 2001: 31ff.), herauszuarbeiten.

Kategorien

Empfehlungen

Service

Info/Kontakt