Dokumentationswahnsinn in der Pflege - es geht auch anders - Mit fünf Bereichen alles erfassen und perfekt dokumentieren

Dokumentationswahnsinn in der Pflege - es geht auch anders - Mit fünf Bereichen alles erfassen und perfekt dokumentieren

 

 

 

von: Jutta König

Schlütersche, 2018

ISBN: 9783842688841

Sprache: Deutsch

164 Seiten, Download: 8869 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Dokumentationswahnsinn in der Pflege - es geht auch anders - Mit fünf Bereichen alles erfassen und perfekt dokumentieren



2 MDK, HEIMAUFSICHT ETC. – WEM DIENT DIE PFLEGEDOKUMENTATION?


Die Anforderungen und Kriterien an die Dokumentation verlangen flexible Denkprozesse, und kaum jemand ist sich wirklich hundertprozentig sicher, wie und was für wen dokumentiert werden muss. Wenn Sie eine MDK-Prüfung hinter sich haben, mussten Sie in der Regel etwas an der Pflegedokumentation verändern. Diese Anpassung, Änderung oder Nachbesserung bedeutet aber nicht, dass die nächste Prüfung besser verläuft. Denn wenn zur nächsten Prüfung andere Prüfer kommen, haben diese auch eine andere Sicht auf die Dinge. Es kommt noch schlimmer: Selbst wenn der MDK-Prüfer bei der Qualitätsprüfung zufrieden ist, bedeutet das nicht, dass es auch der MDK-Gutachter bei der Einstufung ist. Einen Mitarbeiter der Heimaufsicht interessiert wiederum nicht, was den MDK zufriedenstellt, sondern er befolgt eigene Anforderungen.

Auch ein Leitungswechsel hat sofort Änderungen in den Anforderungen der Pflegedokumentation zur Folge. Was bisher nicht beanstandet wurde, wird auf einmal in der Pflegevisite kritisiert. Auch ein interner Qualitätsmanager hat seine eigenen Vorstellungen über das Führen der Akten. Wer sich dann noch freiwillig einer Zertifizierung unterzieht, erlebt weitere Anforderungen, die mitunter bis dato nicht gestellt wurden. All diese Anforderungen summieren sich rasch zu einem gordischen Knoten, der den Alltag überaus beschwerlich macht. Zählen wir einmal die »ganz normalen« Anforderungen zusammen:

Einer beharrt darauf, dass jeden Tag ein Eintrag in den Pflegebericht erfolgt.

Ein Zweiter hält das für völlig übertrieben und findet es ausreichend, wenn einmal pro Woche etwas geschrieben wird.

Ein Dritter verlangt, dass die Braden-Skala jeden Monat aufs Neue ausgefüllt wird.

Ein Vierter sagt, bei nicht gefährdeten Pflegebedürftigen reicht es, die Braden-Skala erst wieder bei Änderungen der Pflegesituation neu auszufüllen.

Ein Fünfter möchte die Pflegeplanung in der ersten Woche nach Aufnahme des Pflegebedürftigen geschrieben wissen.

Ein Sechster findet drei Wochen für die Planung auch okay.

Ein Siebter verlangt alle acht Wochen eine Auswertung der Pflegeplanung;

Ein Achter möchte das nur alle zwölf Wochen erledigt sehen.

Für einige muss die Auswertung für jede AEDL einzeln erfolgen; anderen reicht eine Zusammenfassung der aktuellen Pflegesituation.

Was machen Sie nun als eifrige Mitarbeiterin? Welcher Anforderung kommen Sie nach? Führen Sie für jeden »Herrn« eine andere Art der Dokumentation? Oder schauen Sie, wer gerade das Sagen hat und wählen den Mächtigsten? Das fragen sich nicht nur Sie, das fragen sich viele in der Pflege Tätige. Die Folgen wiegen schwer: Einrichtungen, Führungskräfte und Mitarbeiter, die jede neue Anforderung hinnehmen, werden sich immer wieder hin- und hergerissen fühlen. Sie sind im höchsten Maße verunsichert und diese Verunsicherung schlägt mitunter in Angst vor Prüfern und Prüfungen um; oder in das Gegenteil: Man nimmt gar nichts mehr ernst, weil man schon so viel erlebt hat und es sowieso niemandem recht machen kann.

Dabei ist die Lösung des gordischen Knotens einfach, so einfach wie ein Schwertstreich. Lernen Sie zu fragen »Wo steht das?«, wenn wieder mal jemand etwas fordert!

Wo steht geschrieben,

was in den Pflegebericht eingetragen werden muss?

wie oft ein Pflegebericht zu führen ist?

bis wann eine Pflegeplanung nach Neuaufnahme zu erfolgen hat?

wie oft eine Pflegeplanung zu evaluieren ist?

wie oft welche Assessments (Dekubitusrisiko, Sturzrisiko, Ernährungsmanagement etc.) ausgefüllt werden müssen?

wann welches Protokoll (z. B. Ernährung, Lagerung etc.) anzusetzen ist und wann es wieder abgesetzt werden kann?

welche Papiere insgesamt benötigt werden?

wie jedes einzelne Blatt auszufüllen ist?

Zu einigen dieser Fragen werden Sie tatsächlich Antworten finden: in der MDK-Anleitung zur Prüfung der Qualität; einige Heimaufsichtsbehörden haben ebenfalls eigene Kriterien aufgestellt.

Aber: Vieles in der Pflegedokumentation ist gar nicht geregelt! Und das ist gut so! Das ist der Ausweg! Es kann nämlich gar nicht alles geregelt sein. Keine Einrichtung ist mit der anderen direkt vergleichbar. Das Einzige, was Sie tun müssen, ist den Pflegeprozess umzusetzen, mit welchen Mitteln auch immer. Es gibt sicherlich 100 verschiedene Pflegedokumentationssysteme in Deutschland. Jede Einrichtung ist frei in der Gestaltung und Handhabung ihrer Papiere.

Die Tatsache, dass nur wenige Anforderungen präzise schriftlich niedergelegt sind, sollte jeden von Ihnen ermutigen. Denn immer, wenn etwas nicht eindeutig geregelt ist, können Sie es so tun, wie es Ihnen praktikabel erscheint. Natürlich sollten Sie jede Entscheidung, ein Dokument so oder anders zu führen, auch fachlich vertreten können. Es ist nicht sinnvoll, einen Pflegebericht nur einmal im Monat zu führen, wenn der Pflegebedürftige täglich pflegerisch versorgt wird. Es ist nicht in Ordnung, die Pflegeplanung nur einmal im Jahr auf Aktualität zu überprüfen.

Doch Pflegeplanungen müssen gar nicht 13 Seiten und mehr umfassen. Warum gerade 13 Seiten? Weil viele Einrichtungen anhand der AEDL schreiben und für jede AEDL eine eigene Seite nutzen. Das ist übrigens bei EDV-gestützten Systemen nicht viel anders. Druckt man sich eine elektronisch erstellte Planung aus, hat man ähnlich viele Seiten wie bei einer handgeschriebenen Planung, teils sogar mehr. Das Wort »Pflegeplanung« hat in vielen Einrichtungen den Namen nicht mehr verdient, weil nicht die konkrete Pflege, sondern völlig abstrakte Handlungen geplant werden. Viele Pflegekräfte arbeiten in ihrer täglichen Praxis auch gar nicht nach der festgeschriebenen Planung. Sie schreiben eine Planung, damit sie geschrieben ist, aber sie arbeiten nicht danach. Stattdessen agieren sie, wie sie es gewohnt sind, wie es ihnen gezeigt wurde oder wie sie es für richtig halten.

Gestatten Sie mir eine kleine Frage zur Reflexion. Erkennen Sie am Aussehen eines Pflegebedürftigen, wer ihn heute gepflegt hat? Ja? Das bestätigt meine These: Es wird nicht nach Plan gepflegt, sondern so, wie es dem einzelnen Mitarbeiter am besten passt. Das ist nicht böse gemeint und soll auch keine Ohrfeige für die Pflegekräfte sein. Es ist lediglich eine Feststellung und ich denke, viele von Ihnen können sie bestätigen.

Hören Sie in Dienstgesprächen oder Teamsitzungen einmal aufmerksam zu. Da unterhalten sich Kollegen über die Versorgung eines Pflegebedürftigen und der eine sagt: »Ich mache dies so«, und der andere erwidert: »Ich mache das aber so.« Wer von beiden hat recht? Vielleicht keiner. Fakt ist allerdings, es gibt einen Leidtragenden: den Pflegebedürftigen, Ihren Kunden.

Wohl dem Pflegebedürftigen, der sich äußern kann. Der sagen kann, wie er es gern möchte. Der seine Bedürfnisse, Wünsche und Gewohnheiten äußern kann, der seine »Marotten« und Eigenheiten wie gewohnt weiterführen kann. Sie kennen sicher viele Pflegebedürftige, die Rituale haben. Einige tragen immer ihren Schal um den Hals. Bei anderen muss die Handtasche überallhin mit, auch zur Toilette, und im Bett liegt sie immer in der Ritze. Manche Pflegebedürftige möchte zur Nacht ihre Bettsöckchen oder ihr Bettjäckchen tragen. Einer trägt den Haarscheitel immer links; eine andere möchte die Haare zum sogenannten Dutt gesteckt wissen. Die nächste möchte ihr Gesicht nicht mit Seife und mit kaltem Wasser waschen. Diese Dinge sind wichtig für die Pflegebedürftigen, aber stehen diese Wünsche auch in ihrer Pflegeplanung? Nur mal nebenbei: Können Sie sich vorstellen, wie unangenehm es ist, wenn jemand Ihre Haare links scheitelt, obwohl Sie Ihr Leben lang den Scheitel rechts trugen?

Was aber ist mit den Menschen, die ihre Wünsche und Bedürfnisse nicht mehr im vollen Umfang äußern können? Was ist mit den demenziell erkrankten Menschen in Ihrer Obhut? Wie bekommen sie das Gesicht gewaschen, wie die Tagesfrisur gerichtet, welche Kleidung tragen sie? Ich selbst habe in der Versorgung dieser Klientel jahrelang Fehler begangen, auch bei meiner eigenen Oma. Als sie an Demenz erkrankte und pflegebedürftig wurde, haben wir ihr beim Waschen und Anziehen geholfen. Was haben wir ihr angezogen? Natürlich die hübschen Sachen, die sie im Schrank hatte und die sie sonst nie trug. Nicht die älteste Strickjacke und die abgetragenen Schuhe, sondern schöne Blusen und eine neue Strickjacke. Die Haare haben wir ihr ebenfalls hübsch gemacht. Was wir damit angerichtet haben, haben wir erst spät gemerkt: Oma hat sich in ihrem schönen Outfit kaum noch vom Fleck bewegt, sie hat nicht mehr im Haushalt umhergeräumt oder sie fing an, sich auszuziehen, mit und ohne Publikum....

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